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The fact that we are here and that I speak these words is an attempt to break the silence and bridge some of these differences between us, for it is not difference which immobilizes us, but silence. And there are so many silences to be broken. / Die Tatsache, dass wir hier sind und dass ich diese Worte sprechen kann, ist ein Versuch, das Schweigen zu brechen und Brücken zu schlagen zwischen uns. Denn nicht Unterschiede machen lassen uns erstarren sondern das Schweigen. Und wir müssen so viele Formen des Schweigens brechen. (Audre Lorde, The Cancer Journals)



In einem inneren Gesprächskreis trafen sich Zeitzeug*innen, um die Empfindungen von damals ins Heute zu holen und zu reflektieren: Der Touristiker Victor Tinari wuchs in politisiertem Elternhaus rund um das Punto d'Incontro auf. Catia Porri erzählte, wie sich aufgrund eigener Erfahrungen und als Fotografin und Journalistin für die Aufarbeitung des Leids illegalisierter Saisonnier-Kinder engagiert. Und die Schriftstellerin Rosanna Ambrosi setzte sich im Rahmen der Colonie Libere für die Rechte und die Bildung von Kindern und ihren Eltern ein. Die Psychologin und Autorin Marina Frigerio führte das Gespräch. 


In beiden Blöcken wurde die Gesprächsrunde von zwei Stimmen aus einer «zweiten Reihe» konfrontiert: Der Filmemacher Samir sprach als ehemaliger Gewerkschafter und brachte neue Erkenntnisse aus seinem laufenden Filmprojekt zu Gastarbeit und Arbeiter*innen-Organisationen ein. Die Autorin Melinda Nadj Abonji sprach vor dem Hintergrund ihrer durch Gastarbeit getrennten Familie über die literarischen Fragen zur Möglichkeit von Erinnerung, Aufarbeitung und Verschiebung von Leid. Der Soziologe und Dichter Henri-Michel Yéré warf einen postkolonialen und persönlichen Blick auf dieses für ihn bis vor Kurzem unbekannte Kapitel der Schweizer Geschichte. Francesca Falk, Historikerin und selbst Seconda, liess Erfahrungen aus einem Oral History-Projekt zu einer migrantischen Geschichte der Schwarzenbach-Initiative einfliessen. 


Die Versammlung gipfelte in einem gemeinsamen öffentlichen Gespräch zwischen Menschen mit und ohne Migrationserfahrung, von Betroffenen der migrationspolitischen Gewalt und Angehörigen der Dominanzgesellschaft. Dadurch wurde ein Raum erprobt, um gemeinsam über historisches Unrecht und dessen Bewältigung zu sprechen. Schweigen wurde gebrochen und  Forderungen geäussert. Es fanden Offenbarungen statt und Zumutungen. 

Zu verzeihen und zu versprechen, sind die Modi durch die Handelnde von einer Vergangenheit, die sie auf immer festlegen will, befreit und sich einer Zukunft, deren Absehbarkeit bedroht, halbwegs versichern kann. (Hannah Arendt, Vita Activa)